„Die Aufmerksamkeit ist der Meißel des Gedächtnisses“

Liebe Schülerinnen und Schüler,

das obige Zitat von Pierre-Marc-Gaston de Lévis (1764 – 1830) entnahm ich dem Buch von Volker Busch: „Kopf frei! – Wie Sie Klarheit, Konzentration und Kreativität gewinnen“. Droemer-Verlag 2021, München. SPIEGEL-Bestseller. 18 Euro. Das Buch ist auch die Grundlage der gesamten Artikel-Serie.

An der Western Washington University wollte ein Forscherteam die Aufmerksamkeit der Studenten testen: An einem sonnigen Nachmittag radelte ein Clown auf einem Einrad über den Platz des belebten Campusgeländes, eigentlich recht auffallend. Das Testergebnis: Fünfzig Prozent der Studenten, die keine digitalen Medien genutzt hatten, hatten den Clown gesehen, bei den Musikhörern waren es noch 35 Prozent und die, die am Handy gehangen hatten, hatten den Clown nur zu 8 Prozent entdeckt.

„Psychologie Heute“, 2024/01, S. 56

Die Zahlen für Schulklassen, also für euch: Nur 34 Prozent waren bereit, ihr Smartphone auszuschalten, um dem Unterricht konzentriert zu folgen. Und die Erwachsenen waren keinen Deut besser, gerade mal 49 Prozent packten es, während einer Massage auf ihr Handy zu verzichten.

Zur psychologischen Erklärung: Es gibt zwei Systeme in uns: „bottom-up“ und „top-down“. Starten wir mit dem „Bottom-up-System“: hier verlaufen die Verbindungen größtenteils von unten nach oben zum Gehirn. Es sind die Sinne, das Schmerzempfinden, auch Hunger und Durst, alles läuft überwiegend automatisch. Dieses System ist evolutionsbiologisch alt und funktioniert stabil – fast ohne Erkrankungen und Störungen. Nun zum anderen, dem „Top-down-System“, dem evolutionsbiologisch deutlich jüngeren, unserem Superkontrollsystem: hier werden aus dem Datenstrom relevante Informationen ausgewählt, analysiert und sinnvolle Schlussfolgerungen gezogen. Motivation, Ziel, Disziplin, Wille, Entscheidung sind hier angesiedelt. Dieses System ist ein aktiver Prozess, verbraucht viel Energie und ist ziemlich störanfällig.

Spielen wir es durch: Euer Handy ploppt auf, euer Bottom-up-System meldet sofort und automatisch: Nachricht, Nachricht, Nachricht! Und euer Top-down-System: Ich muss lernen, lernen, lernen, morgen Mathe-Klausur… Und wieder Plopp und nochmals Plopp. Ihr schwankt ständig hin und her, hier Plopp, im Gehirn – Befehl: nicht schauen, ignorieren, Mathe lernen! Dieser ständige Kampf in euch zermürbt euch, frisst sinnlos Energie und am Ende tappt ihr in die Ablenkungsfalle – eure kognitive Steuerung hat versagt, auch wenn die Störung, der Blick aufs Handy, nur wenige Sekunden beträgt.

Nun tritt das nächste Problem auf: Diese Sekunden hauen euch raus, Mathe mal kurz „gecancelt“ und es entsteht ein „Aufmerksamkeitsrückstand“ von 25%, bis ihr wieder in eurer Mathe seid und laut Forschung verdoppelt sich die Fehlerrate. Bei einem „Switching“ zwischen zwei Dingen stieg die Fehlerrate signifikant an: „Die abgelenkten Teilnehmer machten deutlich mehr Fehler; die Quote richtiger Antworten lag um ein Drittel niedriger, selbst wenn die Unterbrechung nur wenige Sekunden gedauert hatte.“ (S. 106) „Der Aufmerksamkeitsrückstand beträgt allein durch die private Nutzung des eigenen Smartphones pro Arbeitstag im Durchschnitt etwa eine Stunde pro Mann/Frau, teilweise sogar mehr.“ (S. 109)

Ich verlasse jetzt Prof. Busch und zitiere ein Forschungsergebnis aus „Psychologie Heute“, 10/2018, S. 49: „… Überdies scheint das eigene Gerät die kognitive Leistung junger Leute keineswegs zu fördern. So untersuchte eine Arbeitsgruppe um Susan Payne Carter Studierendenklassen an der US-Militärakademie. Die schnitten in der Prüfung schlechter ab, wenn Computer im Klassenzimmer erlaubt waren, egal, ob sie diese benutzt hatten oder nicht. Adrian Ward und Kollegen aus Austin, Texas testeten Arbeitsgedächtnis und Intelligenzleistung von 548 Studenten. Ein Drittel hatte das eigene Smartphone in der Tasche, ein Drittel legte es ausgeschaltet umgekehrt auf den Tisch, ein Drittel ließ alle persönlichen Dinge im Vorraum. Mit Abstand die besten Leistungen brachte diese dritte Gruppe. Einzige Erklärung: Das eigene Smartphone zieht schon dann Aufmerksamkeit ab, wenn es nur in der Nähe ist …“

Also, Handy nehmen, Flugmodus rein und außerhalb des Zimmers deponieren, kein Wenn und Aber, knallhart – und kämpft nicht gegen euer „Bottom-up-System“ an, ihr werdet unterliegen, auf jeden Fall wird der Kampf vollkommen sinnlos Energie fressen, die ihr deutlich sinnvoller in Mathe steckt! Alles klar? Tun!

„Kopf frei!“ für euch selbst, für eure Ziele, für euer Glück!

Klaus Schenck

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Neuer Artikel: „Kinder, geht endlich offline: Pädagogen und Politiker wollen die Digitalisierung im Klassenzimmer zurückdrehen“ und „Tipps für Familien“ (ab welchem Alter – welche digitalen Medien): https://www.schuelerzeitung-tbb.de/kinder-geht-endlich-offline-paedagogen-und-politiker-wollen-die-digitalisierung-im-klassenzimmer-zurueckdrehen/

  1. „Alle Vorsätze sind für den Arsch, wenn man sich nicht daran hält“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/alle-vorsaetze-sind-fuer-den-arsch-wenn-man-sich-nicht-daran-haelt/
  2. „Die Aufmerksamkeit ist der Meißel des Gedächtnisses“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-aufmerksamkeit-ist-der-meissel-des-gedaechtnisses/
  3. „Wer zwei Hasen gleichzeitig jagt, wird keinen davon fangen“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/wer-zwei-hasen-gleichzeitig-jagt-wird-keinen-davon-fangen/
  4. „Where the focus goes, the energy flows“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/where-the-focus-goes-the-energy-flows/
  5. „Tagträumen ist vielleicht die wichtigste Arbeit in meinem Leben“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/tagtraeumen-ist-vielleicht-die-wichtigste-arbeit-in-meinem-leben/
  6. „Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/das-leben-der-eltern-ist-das-buch-in-dem-die-kinder-lesen/
  7. Generation Z: Dumbphone statt Smartphone: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/generation-z-dumbphone-statt-smartphone/

Handy-Artikel der Schülerzeitung

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Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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