Kinder, geht endlich offline: Pädagogen und Politiker wollen die Digitalisierung im Klassenzimmer zurückdrehen

Liebe Leserinnen und Leser,

heute (5. Februar 2024) las ich in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) einen längeren Artikel unter der oben genannten Überschrift. Ich werde diesen Artikel deutlich gekürzt übernehmen, aber unter dem Artikelauszug den Link für Interessierte angeben.

Besonders hilfreich sind die „Tipps für Familien“ der Schweizer Plattform „Jugend und Medien“ – siehe rote Überschrift.

Ich gebe unten auch den Link eines Artikels von meinen Schülern und mir aus dem Jahr 2014 – also genau vor zehn Jahren – an. Nach Gesprächen mit meinen damaligen Schülern einigten wir uns auf einen „handyfreien Unterricht“, d.h., die Handys wurden zu Beginn des Unterrichts eingesammelt und in einer Box auf den Lehrertisch gelegt. Nach Wochen wurden die Schüler anonym zum Ergebnis des Experiments befragt. Dieses Ergebnis haben wir dann auf der Jugendseite der Schülerzeitung veröffentlicht. Die Schüler von damals zeigten mir für Fotos – mit einer Portion Belustigung – ihre Handy-Verstecke, das war eine sehr erkenntnisreiche Deutschstunde – für den Lehrer!

Ich selbst habe jahrelang die Handys zu Unterrichtsbeginn einsammeln lassen. Der Protest hielt sich in Grenzen. Mit Einführung der Tablets machte das Einsammeln der Handys keinen Sinn mehr und die Schüler tauchten im Unterricht wieder weg – nur diesmal nicht am versteckten Handy, sondern am sichtbaren Tablet.

Meine Lehrerposition ist klar: kein Tablet/Handy in meinem normalen Unterricht in Deutsch, Religion und Psychologie, in diesem Unterricht dominiert das Gespräch, die Interpretation, das gemeinsame Suchen und das gegenseitige Zuhören. Tablet ja, wenn es um Recherche etc. geht oder das Einüben bestimmter Fähigkeiten. Ich betrachte es für keinen Weltuntergang, wenn meine Schüler im normalen Unterricht mit Hand mitschreiben müssen und es nicht sofort ins Tablet „reinhauen“ können. Die konzentrierte Stille, das konzentrierte Gespräch eines „handyfreien Unterrichts“ muss man erlebt haben, um zu wissen, was heutigen Schülern in „Tablet-Klassen“ entgeht.

Klaus Schenck

Der gekürzte „NZZ“-Artikel

Schweden verbannt Computer aus Primarschulen

„Psychologie Heute“, 2024/01, S. 56

Vielleicht ist es deshalb kein Zufall, dass jene Länder, die lange als Pioniere der Digitalisierung galten, nun zurückkrebsen. Schweden ging letztes Jahr mit der Abrüstung von Computern in den Klassenzimmern voran. 2017 verlangte die Bildungsstrategie der damals sozialdemokratischen Regierung, dass Bildschirme ab der Kita flächendeckend zum Einsatz kommen sollen. Als weltweit erstes Land lernten Kleinkinder Tablets bedienen, bevor sie laufen konnten, Schulbücher gab es keine mehr. Doch im letzten Jahr kam die Kehrtwende. Die neue konservative Bildungsministerin Lotta Edholm begrub die Digitalisierungsstrategie und sprach 60 Millionen Euro für die Beschaffung traditioneller Lehrbücher und den Aufbau von Bibliotheken: «Das ist eine Investition ins Lesen auf Kosten von Bildschirmzeit», sagte sie.

Seither werden in Schweden wieder Schulbücher verteilt. Wie das aussieht, hat die deutsche «Tagesschau» festgehalten. Es ist ein dunkler Dezembermorgen in Sjöbo, Südschweden. Eine Lehrerin steht vor ihren noch etwas verschlafenen Viertklässlern. Sie hat eine Überraschung mitgebracht: Bücher. «Heute bekommt ihr zum ersten Mal ein echtes Mathebuch. Aufregend, oder?», fragt sie. Die Schülerinnen blättern etwas ungläubig durch die Seiten. Sie beäugen die neuen Lehrmittel als seien es Produkte von einem fernen Kontinent. Ein Knabe im Fussballshirt sagt: «Der Vorteil ist vielleicht, dass sich ein Buch nicht wie ein Computer immer aufhängt.»

Der Entscheid der schwedischen Bildungsministerin machte im Ausland Schule: Noch im Herbst des gleichen Jahres beschloss Finnland, die Digitalisierung im Primarschulunterricht zu überdenken und in Lehrkräfte zu investieren. Das Land will im Pisa-Schulranking wieder an die Spitze kommen. Auch in den Niederlanden sind mobile Gadgets seit Anfang Jahr in Klassenzimmern nicht mehr erlaubt.

Und im vergangenen Dezember forderten namhafte deutsche und Schweizer Wissenschafter und Ärzte in einem offenen Brief ein Moratorium: Digitalgeräte sollen bis zum Ende der Primarschule aus den Schulzimmern verbannt werden. Unterschrieben hat den Brief der Gesellschaft für Bildung und Wissen auch der Schweizer Pädagoge und Psychologe Beat Kissling. Er sieht es kritisch, dass der Unterricht in der Schweiz in den letzten Jahren stark individualisiert worden ist: «Zugespitzt gesagt, soll jedes Kind mehrheitlich alleine in einer Lernnische ein eigenes Programm verfolgen, was sehr viele Kinder in der Isolation überfordert. Die Digitalisierung verschärft dieses Phänomen nochmals erheblich.» Kissling ist überzeugt, dass die Kinder weniger Digitalgeräte und mehr gemeinschaftlich gestalteten und pädagogisch geführten Unterricht benötigen, um Erfolg zu haben. «So könnten auch viele der jetzigen psychischen Probleme verhindert werden.»

Offline-Zeit wird zum Luxusgut

Ob Tiktok, Instagram, Snapchat: Die schlechten Seiten der sozialen Netzwerke sind bekannt. Während die Politik noch mit der Regulierung ringt, werden immer mehr gut gebildete Eltern selbst aktiv. Im Silicon Valley schicken vermögende Familien ihre Kinder heute lieber in altmodisch anmutende Kindergärten mit Holzbauklötzen statt Bildschirmen, wie die «New York Times» unlängst berichtete. Auch in der Schweiz verbringen Kinder aus bildungsnahen Familien weniger Zeit vor dem Bildschirm als Kinder aus einkommensschwachen Haushalten. Die Bedeutung des Handy als Statussymbol hat sich ins Gegenteil verkehrt: Ging es früher darum, wer das neuste Gerät hat, geht es heute darum, wer darauf verzichten kann.

Tipps für Familien

Auf der Plattform «Jugend und Medien» des Bundes finden sich zahlreiche Empfehlungen zum Umgang von Kindern mit Smartphones und Computern.

Generell gilt:

  • Seien Sie ein Vorbild: Achten Sie darauf, dass Ihr Handy beim Essen nicht auf dem Tisch liegt und bei gemeinsamen Aktivi­täten auf lautlos gestellt ist.
  • Sprechen Sie mit Ihren Kindern über deren Erfahrungen im Internet, vor allem bei ­aufwühlenden Inhalten. Lassen Sie sich die Apps und Online-Spiele Ihrer Kinder zeigen. Beobachten Sie bei Kindern unter sieben Jahren, wie sie auf Videos reagieren.
  • Geben Sie Ihren Kindern das Smartphone nicht, um sie abzulenken oder zu beruhigen. Auch als Bestrafung oder Belohnung eignen sich die Geräte nicht, weil sie für die Kinder so nur noch wichtiger werden.
  • Sind Sie unsicher, was Sie Ihrem Kind zumuten können? Dann kann die 3-6-9-12-Faustregel helfen: kein Fern­sehen vor drei Jahren, keine eigene ­Spielkonsole vor sechs Jahren, kein Internet vor neun Jahren, und keine sozialen ­Netzwerke vor zwölf Jahren.
  • Auch für die Bildschirmzeiten gibt es grobe Empfehlungen. Kinder unter drei Jahren sollten möglichst gar nicht am ­Bildschirm sein. Für Drei- bis Fünfjährige reichen 30 Minuten am Tag, idealerweise mit Erwachsenen. Sechs- bis Neunjährige sollten maximal 5 Stunden pro Woche am Bildschirm verbringen und Zehn- bis Zwölfjährige maximal 10 Stunden.

https://www.nzz.ch/nzz-am-sonntag/politiker-und-paedagogen-wollen-digitalisierung-im-klassenzimmer-zurueckdrehen-ld.1777316?mktcid=nled&mktcval=181&kid=nl181_2024-2-5&ga=1 (NZZ, 05.02.2024)

Schülerwunsch: „Handyfreier Unterricht“ (2014): https://www.schuelerzeitung-tbb.de/schuelerwunsch-handyfreier-unterricht/

Alle Artikel der Psychologie-Serie (soziale Medien) mit Links

  1. „Alle Vorsätze sind für den Arsch, wenn man sich nicht daran hält“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/alle-vorsaetze-sind-fuer-den-arsch-wenn-man-sich-nicht-daran-haelt/
  2. „Die Aufmerksamkeit ist der Meißel des Gedächtnisses“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/die-aufmerksamkeit-ist-der-meissel-des-gedaechtnisses/
  3. „Wer zwei Hasen gleichzeitig jagt, wird keinen davon fangen“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/wer-zwei-hasen-gleichzeitig-jagt-wird-keinen-davon-fangen/
  4. „Where the focus goes, the energy flows“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/where-the-focus-goes-the-energy-flows/
  5. „Tagträumen ist vielleicht die wichtigste Arbeit in meinem Leben“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/tagtraeumen-ist-vielleicht-die-wichtigste-arbeit-in-meinem-leben/
  6. „Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/das-leben-der-eltern-ist-das-buch-in-dem-die-kinder-lesen/
  7. Generation Z: Dumbphone statt Smartphone: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/generation-z-dumbphone-statt-smartphone/

Handy-Artikel der Schülerzeitung

Ergänzendes Material: Manuskript plus Link zur YouTube-Sendung

Materialien für Lehrer und Schüler

Klaus Schenck, OSR. a.D.
Fächer: Deutsch, Religion, Psychologie
Drei Internet-Kanäle:
Schul-Material: www.KlausSchenck.de
Schüler-Artikel: www.schuelerzeitung-tbb.de
Schul-Sendungen: www.youtube.com/user/financialtaime
Trailer: Auf YouTube ansehen
„Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“/Bange-Verlag 2020:
Info-Flyer: Download

Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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