Im Interview mit Bürgermeister Wolfgang Vockel:

Tauberbischofsheim – Die kleine Kreisstadt als große Weltstadt des Fechtens

Umringt von Wiesen und Feldern liegt inmitten des lieblichen Taubertals das idyllische Städtchen Tauberbischofsheim. An der „Romantischen Straße“ gelegen, bietet die mittelalterliche Stadt viele historische Sehenswürdigkeiten, vor allem aber auch eine Plattform für Erholung und Entspannung im Grünen.
Zeichnet sich Tauberbischofsheim generell vor allem mit charmanter Kleinstadtidylle aus, ist es jedoch mindestens in einem Punkt ganz groß: im Fechten.
ürgermeister Wolfgang Vockel wollten wir herausfinden, was es für die Kreisstadt mit nur knapp 14.000 Einwohnern bedeutet Weltstadt des Fechtens zu sein.

FT: Seit 1986 ist Tauberbischofsheim Olympiastützpunkt des Fechtens. Was hat die Stadt Tauberbischofsheim durch die Einrichtung des Olympiastützpunkts gewonnen?

Bürgermeister Wolfgang Vockel: Ansehen. Anerkennung.
Der Olympiastützpunkt ist für die Stadt wie eine Eintrittskarte in die Welt. Man muss sich das von der Größenordnung her einmal vor Augen führen: Auf der Welt leben ungefähr sechseinhalb Milliarden Menschen. Davon sind eine gute Milliarde junge Menschen und davon sind 11.100 Sportlerinnen und Sportler alle vier Jahre zu Olympischen Spielen zusammen – nicht besonders viele. Es gibt, wenn ich es richtig weiß, 302 Olympische Wettbewerbe in 28 Sportarten. Fechten ist seit 1896 olympisch und seit 1976 sind Tauberbischofsheimer Fechterinnen und Fechter ununterbrochen immer bei Olympischen Spielen gewesen. Wir sind eine Kommune mit knapp 14.000 Einwohnern und von uns dürfen einige an solchen Wettbewerben unter den Besten der Welt teilnehmen und sich der Weltgemeinschaft präsentieren. Dadurch ist die Bekanntheit der Stadt natürlich immens gewachsen.
Bedenken Sie bitte auch, was Sport für die Welt und für die Menschen bedeutet. Sport ist eine der größten Friedensbewegungen überhaupt. Er bringt Menschen friedlich zusammen, während sonst Kriege und Konflikte auf den meisten Kontinenten der Erde angezettelt werden. Deswegen bin ich ein begeisterter Anhänger des olympischen Gedankens, dieser Olympischen Idee und finde es fantastisch, dass junge Menschen aus vom Fechtclub Tauberbischofsheim dabei sind.

FT: Sie sagen, Tauberbischofsheim habe viel Ansehen und auch Bekanntheit durch das Fechten, durch den Olympiastützpunkt gewonnen; oft fällt auch erst beim Begriff „Fechten“ der Groschen, wenn man gefragt wird, woher man kommt. Wie wichtig ist angesichts dessen der Fechtsport bzw. der Olympiastützpunkt für die Stadt Tauberbischofsheim?

Bürgermeister Wolfgang Vockel: Olympiastützpunkt zu sein ist eine Servicefunktion für Leistungssportler. Der Fechtclub Tauberbischofsheim, eigentlich ein ganz normaler Sportverein, hat diese Funktion: Serviceeinrichtung und Zentrum für Leistungssport in Deutschland. Von diesen Olympiastützpunkten gibt es nur 20 in der gesamten Bundesrepublik. Wir beherbergen den einzigen Monostützpunkt, der sich somit auf eine Sportart konzentriert. Deswegen und wegen der vielen Erfolge sagt man, TBB ist die Hauptstadt – mindestens die deutsche Hauptstadt – des Fechtsports.
Wenn man bundesweit eine zentrale Funktion hat, ist es ist eine große Aufgabe und für die Kommune immer von herausragender Bedeutung.
Der Olympiastützpunkt hat natürlich auch eine wirtschaftliche Bedeutung: Arbeitsplätze, Aufträge für Handwerk und Handel, Besuchermagnet, Erweiterung des schulischen und des Betreuungsangebots, viele Auswärtige, die dadurch zu uns kommen. Aber das Schönste ist der Sport selbst. Und Sport sollte immer positiv besetzt sein.

FT: Wo wir gerade von den Sportlern bzw. dem Sport reden. Das Fechtzentrum betreut etwa 300 Sportlerinnen und Sportler. Welche Rolle spielt die Stadt bei der Unterstützung und Förderung der Talente?

Bürgermeister Wolfgang Vockel: Der Fechtclub als Trägerverein hat die wesentlichen Aufgaben beim Training, bei der Begleitung von Leistungssportlern übernommen. Es ist ein großes Budget, das dort bewegt und weit überwiegend vom Bund und vom Land finanziert wird.
Die Kommune ist insoweit eingebunden, als die Stadt Eigentümerin des Fechtzentrums ist, denn es wurde auf einem städtischen Grundstück gebaut. Die Stadt ist mit einem relativ kleinen Kostenanteil in der laufenden Unterhaltung dabei.
Der Bürgermeister ist in die Gremien des Vereins und der Einrichtungen eingebunden und die Stadtverwaltung in die Erledigung von Verwaltungsaufgaben, das heißt die Abwicklung des Haushalts, Budgetabrechnung, Personalverwaltung und ähnliche Dinge eingebunden. Das machen wir quasi als Serviceeinrichtung für den Fechtclub.

FT: Der Fechtsport wird unter den jungen Menschen immer weniger populär. Wie wichtig ist es trotzdem oder gerade deswegen den Fechtsport zu fördern und was für eine Rolle nimmt die Stadt Tauberbischofsheim mit einem Olympiastützpunkt extra für das Fechten dabei ein?

Bürgermeister Wolfgang Vockel: Ich fände es schade, wenn sich Sport nur auf die Sportarten reduzieren würde, die im Moment gerade in den Medien en Vogue sind.
Ich denke, dass der Sport von Vielfalt lebt. Es geht um Menschen, die Sport ausüben und die haben unterschiedliche Talente und unterschiedliche Neigungen. Ein Trampolinspringer, eine Beachvolleyball-Spielerin, ein Badminton-Spieler und eine Biathletin müssen genauso Chancen erhalten wie ein Fußballspieler oder eine Hundertmeterläuferin.
Fechten ist eine vergleichsweise komplizierte Sportart, die zunehmend athletischer wird. Das hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten erheblich geändert. Es gibt auch, im Vergleich zu den ersten Jahren, an denen Tauberbischofsheimer an den Olympischen Spielen teilgenommen hat, viel mehr Nationen, die international in der Spitze dabei sind. Das heißt, die Konkurrenz ist auch größer geworden. Deswegen ist es noch spannender und interessanter mitmachen zu dürfen.
Die Stadt fördert jeden Sport in den Schulen und den Vereinen sehr umfassend – auch das Fechten.

FT: Bringt sich bzw. inwiefern bringt sich die Stadt Tauberbischofsheim dann mit ein, um diesen Sport weiter zu verbreiten?

Bürgermeister Wolfgang Vockel: In unserer Stadt bestehen die besten Voraussetzungen, diesen Sport auszuüben. In der täglichen Arbeit ist es allerdings keine Sache der Kommune, dafür zu sorgen, dass möglichst viele zum Fechtsport kommen. Das hat der Fechtclub in der Hand. Er bietet vieles an, er beginnt -wie andere Vereine bei den Jüngsten und bietet ein sehr professionelles System, Talente zu fördern und nach vorn zu bringen. Entscheidend ist aber der Fechter selbst und seine Motivation.

FT: Der FC Tauberbischofsheim hat schon zahlreiche Welt- und Europameister und Olympiasieger hervor gebracht. Macht das Sie als Bürgermeister stolz, wenn die Sportler mit Medaillen von so wichtigen Turnieren heimkommen?

Bürgermeister Wolfgang Vockel: Das ist ein fantastisches Erlebnis. Ich will das an einem Beispiel deutlich machen:
Bei der Weltmeisterschaft 1998 in La Chaux-de-Fonds ist Sabine Bau Einzelweltmeisterin im Florett geworden. Ich war ausnahmsweise dabei und und war dann sehr überrascht, dass man sogar MIR nach ihrem Sieg gratuliert hat. Das war ganz bemerkenswert, denn ich hatte ja nichts dazu beigetragen. Aber es war der Glückwunsch an die Stadt und ihre Einwohner.
Ich will damit nur sagen, ich bin sehr stolz, erfolgreiche Teilnehmer an Olympischen Spielen, Welt- und Europmeisterschaften zu begrüßen.
Nur wenige junge Menschen auf der Welt haben die Chance haben, an solchen Wettbewerben teilzunehmen. Es ist die Creme-de-la-Creme einer Sportart. macht auch den Bürgermeister stolz, wenn junge Menschen aus dieser Stadt dabei sind. Ich hoffe, dass nach den diesjährigen Weltmeisterschaften in Antalia wieder ein Grund besteht, sie freudig zu begrüßen.

FT: Welche Ehrungen können erfolgreiche Fechter bei besonders guten Leistungen, wie zum Beispiel Anja Fichtel, durch die Stadt Tauberbischofsheim erlangen?

Bürgermeister Wolfgang Vockel: Es gibt einmal im Jahr einen Fechterempfang mit kleinen Aufmerksamkeiten. Früher, 1976 oder 1988, – das erzählen zumindest diejenigen, die die großen Erfolge erfochten haben, – war das etwas intensiver. Unser Ehrenbürger Dr. Thomas Bach, der zu den Olympiasiegern von Montreal 1976 gehört, sagt, die Begrüßung hier in der Stadt sei eines seiner intensivsten Erlebnisse gewesen. Da waren 30.000 Menschen zusammengekommen.
Was man übrigens auch erzählt: Es gab abends in der Stadt nichts mehr zu trinken. So heftig wurde da gefeiert. Es waren Begeisterungsstürme. Das war natürlich auch etwas Neues 1976 mit der Goldmedaille von Alexander Pusch im Herrendegen und mit der Gold-Florettmannschaft und noch anderen Medaillen, die erfochten wurden. Ich bin sicher ein/e Olympiasieger/in von London 2012 würden wir auch wieder gebührend feiern.

FT: Verfolgen Sie selbst solche Turniere hier im Fechtzentrum oder auch vor dem Fernseher?

Bürgermeister Wolfgang Vockel: Wenn ich Zeit habe, gehe ich ins Fechtzentrum zu den Turnieren und drücke unseren Leuten die Daumen, z.B. bei den hier ausgetragenen Deutschen Meisterschaften, Weltcupturnieren und ähnlichen Veranstaltungen. Wenn ich Zeit habe, gehe ich gerne hin, denn es wird regelmäßig guter Sport geboten. Mein Lieblingsturnier ist das Nikolaus-Turnier der Kleinsten.

FT: Was bedeutet es für die Stadt Tauberbischofsheim, wenn hier Turniere ausgerichtet werden?

Bürgermeister Wolfgang Vockel: Es sind Besucher und Gäste in der Stadt, die hier übernachten, die einkaufen, die abends vielleicht auch zum Essen oder ein Bier trinken gehen. Das sind Kunden für die Stadt, für den Handel, für die Gastronomie. Alle Turniere sind mit interessanten Titelsponsoren verbunden, die auch wiederum ihre Kunden und Geschäftsfreunde in die Stadt mitbringen. So etwas ist für eine Stadt nicht unwichtig.

FT: Das heißt das Fechten ist auch wirtschaftlich gesehen nicht unbedeutend für Tauberbischofsheim?

Bürgermeister Wolfgang Vockel: Sowohl direkt als auch indirekt. Das Fechtzentrum agiert wie ein Unternehmen und bietet mit seinen Veranstaltungen auch viele gute Kontaktmöglichkeiten. Es ist eine Plattform für interessante Gespräche mit interessanten Menschen. Da gibt es auch den einen oder anderen Kontakt, den man knüpft und der auch ausbaufähig ist.

FT: Vielen Dank für das Interview!

Mehr Informationen unter:
http://www.fechtentbb.de/
http://www.tauberbischofsheim.de/

 

Artikel: Julia Spiesberger

 

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