Weihnachtsgrüße – die große Bereicherung

„Ich verschicke gerne Post. Und ich freue mich über die, die ich selber erhalte. Am meisten freue ich mich über Grüße, die mich persönlich ansprechen. Mit ein paar handschriftlichen Sätzen, bei denen ich spüre, sie sollen mir guttun. Solche Grüße versende ich auch selber gern. Noch ganz traditionell. Mit Füller geschrieben. Mit einer Briefmarke auf dem Umschlag in den Briefkasten gesteckt. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Solche Briefe verfehlen ihre Wirkung nicht…“, so Traugott Schächtele in „Wort zum Tag“ auf SWR2 in der Adventszeit.

Handschriftliche Weihnachtsgrüße sind „out“ und doch sind sie mir extrem wichtig in der Vorweihnachtszeit. Ich komme Jahr für Jahr auf knapp hundert persönlich gestaltete Weihnachtskarten und ich benutze bewusst keine computergedruckte Etikettenaufkleber, auch wenn ich die Aufkleber im Schrank habe. Ich will jedem mit meinem Füller – ich liebe Füller – schon auf dem handgeschriebenen Umschlag signalisieren: „Es ist Weihnachten, mein Gruß für Sie ist da!“ Und wenn ich in blauer Tinte den Namen des Adressaten auf den Umschlag schreibe, ist es mir, als stünde er neben mir, als flüstere er mir ins Ohr: „Schön, dass Sie an mich denken, ich warte schon gespannt!“

Ich schreibe zunächst die Umschläge, dann mache ich zwei Stapel: auf die einen Umschläge kommen Briefmarken, auf die anderen keine, denn diese trage ich selbst aus und werfe sie in die Briefkästen. Und beim Schreiben der Umschläge nehme ich mir noch die Zeit, ganz kurz zu diesem Menschen, in die zurückliegende Zeit, in das gemeinsam Erlebte einzutauchen und für Sekunden die gemeinsamen Jahre in meiner Erinnerung auftauchen zu lassen. Im Eintauchen und Auftauchen spüre ich der gemeinsamen Vergangenheit nach, und das bereichert in dieser Sekunde meine Gegenwart. Ich weiß, in meiner Gegenwart ist die Vergangenheit nicht nur integriert, manchmal ist meine Gegenwart nur so, wie sie ist, weil es in dieser Vergangenheit genau diesen Menschen gab, dessen Namen ich gerade jetzt schwungvoll auf den Umschlag „werfe“.

Weihnachtsgrüße werden heutzutage kaum noch beantwortet, nicht mal zu einem Dankeschön reicht die Zeit. Ich aber arbeite Tage, eigentlich Wochen an meiner gesamten Weihnachtspost – bestehend aus Briefen und Karten. In der Hauptsache ist es Dankbarkeit, dass all die Adressaten jetzt, aber auch vor Jahren, Jahrzehnten an meiner Seite waren, mir halfen, gelingend zu leben, meine Ziele zu erreichen, erfolgreich zu sein und nach Rückschlägen wieder aufzustehen. Dieses Gefühl der Dankbarkeit fordert keine Antwort auf meine Post, es ist unabhängig von ihr, es hat seinen Wert im Tun an sich. Und wenn ich dann doch mal eine persönliche Antwort bekomme, sie muss ja nicht schriftlich sein, dann freue ich mich natürlich mächtig und fühle mich in meinem Schreib-Engagement bestätigt.

In meiner Weihnachtspost steckt nicht nur Dankbarkeit, sondern auch die Sicht auf das zurückliegende Jahr. Die Sicht entscheidet, wie ich zu den zurückliegenden Monaten stehe, wie ich sie empfinde und beurteile. Und die schriftlich formulierte Sicht vertieft dies nochmals. In meinem „Psychologie“-Unterricht hatte ich das Glückstagebuch eingeführt, immer ein anderer stand vor der Klasse und erzählte, was ihn in der zurückliegenden Woche glücklich machte. Dafür schenkte ich jedem zu Schuljahresbeginn ein leeres Notizbuch, um die Glücksmomente hierin festzuhalten. Ein Glückstagebuch verändert – laut Forschung – ungefähr nach sechs Wochen und schenkt eine neue positive Lebenssicht. Die Weihnachtspost wird mir so zum „Glücksjahresbuch“, im Schreiben all der Weihnachtskarten und -briefe wird in mir so viel Zurückliegendes lebendig und erhält – auf die Jahre betrachtet – eine positive Deutung, mag auch manches in bestimmten Phasen sehr dunkel gewesen sein.

Ich ermutige zu handschriftlichen Weihnachtsgrüßen. Sie sind keine Pflichtübung, die Zeilen sind Begegnungen mit dem anderen, bei denen dieser unsichtbar neben einem steht, und sie lehren Dankbarkeit für ihn, aber auch Dankbarkeit für das eigene Leben in den zurückliegenden Monaten. Wer sich die Zeit für Weihnachtspost nimmt, wird zunächst selbst bereichert und macht zusätzlich anderen eine kleine, oft aber eine große Freude. Meist haben wir dazu genügend Zeit, wir müssen nur für ein oder zwei Tage die Prioritäten anders setzen.

Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein innerlich beglückendes neues Jahr!

Ihr Klaus Schenck

Mein Weihnachtsstall steht in Litzirüti“ – geschrieben für das Infoblatt „Arosa – Langwies & Litzirüti“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/mein-weihnachtsstall-steht-in-litzirueti/

Die Stunde des Gottvertrauens“ – Weihnachten in der Corona-Zeit 2020: https://www.klausschenck.de/ks/downloads/172-2020-12-16-gottvertrauen.pdf

Materialien für Lehrer und Schüler

Klaus Schenck, OSR. a.D.
Fächer: Deutsch, Religion, Psychologie
Drei Internet-Kanäle:
Schul-Material: www.KlausSchenck.de
Schüler-Artikel: www.schuelerzeitung-tbb.de
Schul-Sendungen: www.youtube.com/user/financialtaime
Trailer: Auf YouTube ansehen
„Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“/Bange-Verlag 2020:
Info-Flyer: Download

Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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