Wo ist zu Hause? – Vom Weggehen und Ankommen

Eigentlich dachte ich immer, ich wüsste, wo mein Zuhause ist. Und eigentlich weiß ich es immer noch: Zuhause ist bei meiner Familie, dort, wo meine Freunde sind und wo ich aufgewachsen bin. Auch als ich zum Studieren weggezogen bin und sich damit mein Lebensmittelpunkt verlagert hat, war die kleine Ortschaft im Main-Tauber-Kreis der Ort, den ich beständig als ‚Zuhause‘ bezeichnet habe. Dort sind meine Wurzeln, dort kann ich Energie schöpfen, dort fühle ich mich geborgen. Nicht verwunderlich also, dass sich nach den ersten Wochen auf dem Fahrrad ein Gefühl einstellte, das fragte: Wann werde ich eigentlich ankommen? Und wann geht es wieder nach Hause?

Ist zu Hause ein Ort?

Die meisten Reisenden würden auf die Frage „Und wo ist dein Zuhause?“ wohl nicht antworten: Deutschland, Baden-Württemberg oder Gissigheim. Stattdessen wird häufig ein Elvis-Song zitiert mit: „Home is where the heart is“.

Auch ich fing also an mich mit ‚Zuhause‘ als Gefühl zu beschäftigen. Denn Tatsache ist, dass es in den nächsten Monaten kein ‚Ankommen‘ an einem bestimmten Ort geben wird und damit auch kein Zurückkehren nach Hause. Der Weg ist das Ziel, wie es so schön heißt. Es fragt sich nur, ob man sich auf diesem Weg auch zuhause fühlen kann.

Ist zu Hause ein Gefühl?

Tatsächlich habe ich inzwischen an vielen Orten der Welt das Gefühl, zuhause zu sein. Dabei habe ich festgestellt, dass es oft gar nicht so viel mit den äußeren Umständen zu tun hat, sondern vielmehr mit meinem Innenleben. Wenn es mir gutgeht, ich im Einklang mit mir selbst bin, meiner Erfüllung nachgehe, nach meinen Werten lebe und meine Beziehungen zu den Menschen, die mir wichtig sind, im Reinen sind, kann ich mich überall zuhause fühlen.

Erleichtert wird dieses Gefühl noch dadurch, dass wir auf den Fahrrädern unser Schlafzimmer, unser Bad und unsere Küche dabeihaben und so jede Wiese, auf der wir zelten, auch materiell zu unserem Zuhause machen können.

Kann man mehrere Zuhause haben?

Trotzdem möchte ich die kleine Ortschaft im „Lieblichen Taubertal“ nicht außer Acht lassen, denn Fakt ist, dass ich auf die Frage: „Wo ist dein Zuhause?“, immer noch mit Deutschland, Baden-Württemberg oder Gissigheim antworte. Dieser Ort ist mein richtiges Zuhause, er ist meine Heimat. Dort ist mein Basislager und dieser Ort hat eine große und emotionale Bedeutung für mich, nicht zuletzt durch meine Familie.

Auch wenn ich die Freiheit des Reisens liebe und es genieße, mich an mehreren Orten zuhause zu fühlen, bin ich dennoch froh zu wissen, wo meine Heimat, mein richtiges Zuhause auf mich wartet. Das gibt mir Sicherheit in dieser großen und weiten Welt – und dafür bin ich sehr dankbar.

Ich merke aber auch bei all meinen Überlegungen: Zuhause und die Bedeutung davon muss wohl jeder für sich selbst definieren. Zudem ist auch nichts unverrückbar. Fremde kann ein Zuhause werden, genauso wie ein Zuhause fremd werden kann.

Für mich persönlich ist die wichtigste Erkenntnis, dass man immer und überall bei sich selbst ankommen kann. Dass man auch ein inneres Zuhause haben kann, das man liebt.

Artikel und Fotos: Sophie Scheifele

Instagram: @thinklesscyclemore

Sophie war meine Schülerin in „Deutsch“ und „Religion“ während der gesamten Oberstufenzeit am Wirtschaftsgymnasium Tauberbischofsheim – mein letzter Abiturs-Jahrgang vor meiner Pensionierung.

Mutige Sophie,

dein Text beeindruckt mich, weil er klug ist! Dein Weg per Fahrrad nach Asien führt dich in die Fremde, die dir für eine gewisse Zeit an verschiedenen Orten zu einem Zuhause werden kann, wenn, und dies hast du präzise benannt, wenn du in dir Heimat, Übereinstimmung, wenn du bei dir angekommen bist – von dem Zuhause in dir zum Zuhause im Außen: in der Natur, bei Menschen, an Orten, in Situationen.

Du bist nicht auf der Flucht vor dir, du bist auf dem Weg zu dir, du radelst dir entgegen in der Begegnung mit Orten, Menschen, Erlebnissen, die in dir widerhallen, dich verändern und gleichzeitig festigen, aber bei allem Außen – du trägst dein Zuhause, deine Familie, dein Gissigheim als deinen Schatz, als deine Stärke in dir. Aus dieser Kraftquelle der Heimat in dir erwächst deine Offenheit für die Fremde, das Fremde, den Fremden, die alle – gefiltert – von dir aufgenommen, in dich integriert werden, wie man ein Haus anbaut, verändert, aber das Grundstück beibehält.

Euch viel Zuhause auf eurem einmaligen Fahrrad-Trip nach Asien und Gottes Segen!

Klaus Schenck

Artikel vom Fahrrad-Asien-Trip

Vom Ankommen, Bleiben-Wollen und Vertrieben-Werden, also von der Heimatsuche, handelt die neue deutschlandweite Pflichtlektüre ab dem Abitur 2026: Jenny Erpenbeck: „Heimsuchung: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/jenny-erpenbeck-heimsuchung-kostenloser-deutsch-abi-crashkurs/ 

Materialien für Lehrer und Schüler

Klaus Schenck, OSR. a.D.
Fächer: Deutsch, Religion, Psychologie
Drei Internet-Kanäle:
Schul-Material: www.KlausSchenck.de
Schüler-Artikel: www.schuelerzeitung-tbb.de
Schul-Sendungen: www.youtube.com/user/financialtaime
Trailer: Auf YouTube ansehen
„Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“/Bange-Verlag 2020:
Info-Flyer: Download

Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

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