Wir spielten Hitler – Inszenierter Protest gegen Indoktrination + Manipulation

Dieser Artikel kostet Überwindung – ich wohne nicht in Bayern, ich bin kein Mitglied der Freien Wähler und ich kenne Hubert Aiwanger nicht: Das Skandalisieren des Aiwanger-Pamphlets erinnert mich an ein schon lang vergessenes Schulerlebnis in der 12. Klasse, und zwar in den 70er Jahren, einige Jahre vor Aiwanger, aber deutlich näher an der damaligen Realität und damit deutlich näher an einer fairen Beurteilung.

Unsere Jahrgangsstufe 12, alle um 18 Jahre, fuhr geschlossen zu einem zweitägigen Seminar der „Landeszentrale für politische Bildung“, Thema: „Anarchie“, hauptsächlich zum Anarchisten Michail Bakunin. Was uns geboten wurde, war an Einseitigkeit kaum noch zu überbieten. Wir hatten den Eindruck, zur Anarchie nicht überzeugt, sondern manipuliert zu werden, Indoktrination pur. Die jungen Referenten, alle Studenten, führten sich als junge „Bakunins“ auf, die die dummen Schüler aus der Provinz ‘mal richtig aufklären mussten. Diese Einseitigkeit, diese Indoktrination, dieses Einhämmern von Anarchie-Ideologie empörte uns. Wir wollten selbständig denken, selbst entscheiden, selbst Position beziehen und nicht bei jeder kritischen Frage von oben herab runtergebügelt werden. Wir waren aufgebracht, es war für uns eine geistige Freiheitsberaubung.

Unsere Klassen waren sehr unterschiedlich, meine eher brav und konservativ, die andere eher links, aufmüpfig – verschiedene Schüler waren bei den Jusos. Am Seminar-Abend hörten wir Gebrüll aus dem Nebensaal und schauten natürlich nach. Was sich dort vor uns auftat, machte uns sprachlos: Auf einer Art Thron saß ein stämmiger Mitschüler, Vorsitzender eines Juso-Ortsverbands, und brüllte wie Hitler. Er und seine Klassenkameraden hatten sich aus Papier Armbinden mit Hakenkreuzen gebastelt plus irgendwelche Fahnen und brüllten und soffen durcheinander. Sie spielten, mimten, machten, schrien, tranken: Hitler befahl und alle folgten, soweit sie in ihrem Suff noch dazu in der Lage waren. Dies mit dem Handy gefilmt, hätte heute zu einem deutschlandweiten Skandal geführt, uns der „Nazi-Jahrgangsstufe“ „überführt“ und all unsere weiteren Berufskarrieren beendet.

Ziel dieser grotesken Hitler-Aufführung: der inszenierte Protest gegen Indoktrination, Manipulation und geistige Freiheitsberaubung. Dies war die Form, wie wir damals die jungen Manipulatoren am stärksten treffen, am tiefsten verletzen, am besten vorführen konnten: Seht, das habt ihr aus uns gemacht! Das ist das Ergebnis eures Seminars! Natürlich dachten die Manipulatoren nicht über sich nach, sondern strichen unsere Schule von der Liste, unsere Schule wurde auch Jahre danach nie mehr eingeladen.

Später erlebte ich als Lehrer ab und zu Hakenkreuz-Schmierereien an der Tafel in der Kombination von Alkohol und Protest. Irgendein Bezug zum Dritten Reich ließ die fast alles erlaubenden, kaum noch zu „schockenden“ Erwachsenen plötzlich rotsehen – und diebische Freude bei den anonymen Schmierern.

Zu welch hasserfüllten, vernichtenden Texten Abiturienten in der Lage sind, kann man in Abi-Zeitungen nachlesen. Und von Einsicht in diesem Moment keine Spur, nur absoluter Verletzungswille und die Überzeugung, vollkommen im Recht zu sein und ausschließlich erlittenes Unrecht wieder gutzumachen: die Schule als Hassobjekt, die Lehrer als Hassobjekt, das ganze System als Hassobjekt.

Das Aiwanger-Pamphlet ist widerlich, ekelerregend und schockierend, nach all dem Erlebten kann ich es jedoch einordnen, ohne es aber locker beiseitezuschieben. Es gab eine maßvolle Bestrafung durch den Schulleiter, wobei die Strafe – ein Referat – sich sehr im Rahmen bewegte und eher für den Besitz des Pamphlets spricht als für seine Urheberschaft.

Drei Probleme

  • Das Ausspielen des Antisemitischen

Dieses Ausspielen des Antisemitischen diente nicht unseren jüdischen Mitbürgern, sie wurden nur benutzt, um eine missliebige Person restlos und endgültig zu erledigen. Für mich ist dieses gezielte Benutzen von Menschen als „Kugeln“ eine Entwürdigung! Jüdische Jugendliche sollten stolz auf ihre Geschichte, stolz auf Israel, stolz auf viele kluge Menschen sein. Ich werde diesen jungen Menschen meine Internetkanäle öffnen, um sie mit Freude und Begeisterung von sich, ihrem Leben und ihren Vorfahren erzählen zu lassen.

  • Der Hass des Lehrers

Ich bin über einen Lehrer entsetzt, der mit so einer Rachsucht, so einem Hass seinen ehemaligen Schüler vernichten will, nicht „den Dolch im Gewande“, sondern überall mit seiner „Waffe“, dem „Pamphlet“, hausieren geht, sich als Herr über Leben und Tod im Politischen geriert und prahlt, die „braune Socke“ bald erledigt zu haben. Auch wenn ich es in meinem Lehrerleben sehr hart abbekam, nie würde ich das einem meiner Schüler antun, nie seinen „Untergang“ in lustvoller Freude planen. Dieses Verhalten des Kollegen erschütterte mich an der ganzen Sache am meisten.

  • Die Zeitung als „mediale Pistole“

Eine anerkannte Zeitung, die sich als „mediale Pistole“ für eine „Lehrerkugel“ auf einen ehemaligen Schüler hergibt, in der Zielsetzung – wer für die „Kugel“ reif sei – mit dem Lehrer übereinstimmt, eine anerkannte Zeitung wird so nicht zu einem Organ des Objektiven, der Wahrheitssuche, der journalistischen Absicherung der Quellen – ohne Vorverurteilung, sondern zu einem „Liquidierungsorgan“ politisch missliebiger Personen, und das sprengt mein Bild von einer seriösen Presse.

Der Schuss ging nach hinten los! Die Menschen fühlen sich angewidert, wie man sie manipulativ in Stellung gegen einen Politiker bringen wollte, und solidarisieren sich mit ihm, und jeder Prozentpunkt mehr für die Freien Wähler ist auch ein Prozentpunkt für eigenständiges Denken, Entscheiden und Wählen.

Klaus Schenck, Oberstudienrat a.D.

www.KlausSchenck.de

Für Interessierte:

Zur „political correctness“: „Schere im Kopf + Knoten in der Zunge“: https://www.klausschenck.de/ks/veroeffentlichungen/eigene-artikel/freier-geist-vs-politische-korrektheit/index.html 

„Meine Werte“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/meine-werte-klaus-schenck/ 

Aufruf 2020 zu meinem „Lehrerbuch“: „Leute, ‚versaut‘ uns Lehrer nicht!“: https://www.klausschenck.de/ks/downloads/f02-buch-2.-flyer-ueberblick-internet.pdf

Aus aktuellem Anlass: „Faule Säcke, werdet Lehrer!“: https://www.schuelerzeitung-tbb.de/faule-saecke-aller-laender-werdet-lehrer-in-baden-wuerttemberg/ 

Material-Hinweise fürs Abitur

Thomas Mann: „Felix Krull“ + Franz Kafka: „Der Verschollene“ + Juli Zeh: „Corpus Delicti“ + Wolfgang Koeppen: „Tauben im Gras“: https://www.klausschenck.de/ks/deutsch/klassenarbeiten/abi-pflichtlektuere-ab-2023—baden-wuerttemberg/index.html

Johann Wolfgang v. Goethe: „Faust“ + Hermann Hesse: „Der Steppenwolf“ + E.T.A. Hoffmann: „Der goldne Topf“ + Hans-Ulrich Treichel: „Der Verlorene“: https://www.klausschenck.de/ks/deutsch/klassenarbeiten/neue-abi-pflichtlektuere—baden-wuerttemberg/index.html

Abi-Präsentationsprüfungen auf YouTube – alphabetisch nach Fächern geordnet plus eine Fülle an realisierten und ausgefallenen Präsentationsideen – erklärt und gezeigt an Referatsfotos: https://www.klausschenck.de/ks/praesentationen/abi-praesentationen/index.html

Allgemeine Abitur-Tipps: https://www.klausschenck.de/ks/deutsch/klassenarbeiten/geziele-abitur-hilfen-in-corona-einsamkeit/index.html

Deutsche Grammatik (Tabellen + Übungen): https://www.klausschenck.de/ks/deutsch/grammatik/grammatik-uebungen/index.html

Alle Deutsch-Materialien – nach Pflichtlektüre, Aufsatzarten usw. geordnet: https://www.klausschenck.de/ks/deutsch/klassenarbeiten/gezielte-vorbereitung-auf-ka–d-abi-2019/index.html

Allgemein: Jugend im Selbstspiegel – eigene Texte mit Zeichnungen: https://www.klausschenck.de/ks/jugendseiten/jugend-im-selbstspiegel—lesung/index.html

Allgemein: Stärkung aus dem Psychologie-Unterricht: https://www.klausschenck.de/ks/psychologie/psychologie-unterricht-als-staerkenseminar/index.html   

Klaus Schenck, OSR. a.D.
Fächer: Deutsch, Religion, Psychologie
Drei Internet-Kanäle:
Schul-Material: www.KlausSchenck.de
Schüler-Artikel: www.schuelerzeitung-tbb.de
Schul-Sendungen: www.youtube.com/user/financialtaime
Trailer: Auf YouTube ansehen
„Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“/Bange-Verlag 2020:
Info-Flyer: Download

Über den Autor

Klaus Schenck unterrichtete die Fächer "Deutsch", "Religion" und "Psychologie". Er hatte 2003/04 die Schülerzeitung "Financial T('a)ime" (FT) zunächst als Printausgabe ins Leben gerufen, dann 2008 die FT-Homepage, zwei Jahre später die FT-Sendungen auf YouTube (www.youtube.com/user/financialtaime) , zusätzlich ist noch seine Deutsch-Homepage (www.KlausSchenck.de) integriert, sodass dieses "Gesamtpaket" bis heute täglich auf rund 1.500 User kommt. Mit der "FT-Abi-Plattform" wurde ab 2014 das Profil für Oberstufen-Material - über die Schülerzeitung hinaus - geschärft, ab August 2016 ist wieder alles in einer Hand, wobei Klaus Schenck weiterhin die Gewichtung auf Schulmaterial beibehält und die Internet-Schülerzeitung (FT-Internet) bewusst auch für andere Interessierte öffnet.

Weitere Artikel zum Thema

Frisch gelandet, mächtig viel Faulheit im Gepäck, null Bock auf nichts, schon gar nicht auf Arbeit! Beste Voraussetzung für eine Bewerbung als Lehrer! Und die Macher des Plakats schaffen es, in acht Wörtern („Mach was dir Spaß macht und werde Lehrer*IN“) gleich zwei Kommafehler (!) reinzuhauen, „was dir Spaß macht“ ist ein eingeschobener Nebensatz. Keine …

Liebe Leserinnen und Leser, vor drei Jahren veröffentlichte ich mein Lehrerbuch „Vom Engagement-Lehrer zum Lehrer-Zombie“, ich wollte nach meiner Pensionierung wieder Lebensfreude gewinnen und das Erlebte der letzten Jahre verarbeiten. Und während der einjährigen Arbeit an dem Buch wurde mir bewusst, wie schön eigentlich mein Lehrerberuf war, wie viel Beglückung ich aus ihm zog – …

„Hauptsache, gute Noten!“, forderte ein Vater von mir auf der Elternversammlung. Früher hieß es: „Hauptsache, mein Kind lernt etwas!“ Welch‘ gewaltiger Unterschied, ein Paradigmen-Wechsel, eine diamentral gegensätzliche Sicht von Schule. Nicht der Schüler hat angemessene Noten sich zu verdienen, sondern die Schule hat gute Noten – ohne Rücksicht auf Angemessenheit – zu liefern. Die Noten …

Persönliche Position: Die übliche Handhabung der Kopfnoten finde ich ungerecht, unver­ant­wortlich und unglaubwürdig. I. Mitarbeitsnote Vorschläge zur Änderung Die folgenden zwei Vorschläge entstanden in mir bei Gesprächen mit Kollegen. Diese Vorschläge sind in rechtlicher Hinsicht nicht geprüft, sie sollten deswegen aber auch nicht gleich abgeschmettert werden! Es wird vereinbart, dass bei ungefähr einem Drittel der …

Wenn ich ab und zu mal abends oder am Wochenende die Schule betrete, um etwas zu kopieren, mache ich einen kleinen Psychotest, wie meine Seele zur Schule tickt. Ich schließe auf, der mir bekannte Schulgeruch / -mief steigt mir in die Nase, dann achte ich auf das spontane Gefühl, dann weiß ich, wie ich zur …

Lehrer sind Glückspilze. Manchmal wenigstens. Mir passierte es nach über 25 Jahren Dienstzeit, so um die fünfzig, dass ich mich fragte: Machst du so weiter wie bisher oder schaust du dich um in der Welt, was man da so über das Lernen weiß? Dieser Perspektivenwechsel von der schulischen Innenschau zum Blick nach draußen hat mein …

In Schule und Beruf weiterkommen Worauf kommt es neben hartem Lernfleiß eigentlich an? Was hat mich in meinem schulischen und beruflichen Werdegang eigentlich weitergebracht?So genau kann ich das gar nicht sagen. Da sind ganz viele Dinge, die eine Rolle gespielt haben und auch jetzt noch spielen. Woher die Tugenden oder Einstellungen letztlich herkommen, weiß ich …

‚ZU WENIG MUT TUT NICHT GUT!‘ und ‚Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten!‘ Lieber Klaus Schenck, liebe Schüler, der erste Satz der Überschrift bezeichnet eine schmerzvolle Erfahrung, die sich durch mein ganzes Leben zieht. Ich war leider nur selten in meinem Leben mutig. Ich glaube, dass dieser Leitspruch aber nur von denjenigen Schülern beherzigt werden …

Liebe Schülerinnen und Schüler, nun liegt es auch an mir, die Werte zu nennen, die mich begleiten, zu erklären, wie sie entstanden und was sie mir bedeuten. Das fordert viel Ehrlichkeit vor sich, aber auch vor euch.Natürlich werdet ihr feststellen, dass Zentrales fehlt: der Halt und das Getragenwerden in der Familie, auch in den Jahrzehnten …

Kaum vorstellbar, aber die sogenannte „Schule ohne Lehrer“ ist heutzutage immer häufiger Gesprächsthema. Doch soll bei so einer neuen Schule der Lehrer ganz ersetzt werden? Nein, vielmehr will man so etwas wie eine Schule via Internet kreieren. Das soll Schule sein? Es gibt keine Aula und keine Turnhalle, keinen Pausenhof, keinen Werkraum, keine Raucherecke und …